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Amateurfunk aus Leidenschaft

Die Industriestadt Chemnitz und das erste elektrotechnische Unternehmen Sachsens.

Chemnitz war und ist eine bedeutende Industriestadt. Die Blütezeit erreichte es insbesondere Anfang des vorigen Jahrhunderts. Der Maschinenbau, Textilmaschineindustrie und die Fahrzeugtechnik waren nur einige Industriezweige, die Chemnitz auch die Beinamen „Sächsisches Manchester“ oder auch „Rußchamtz“ einbrachten. Der letztere Begriff, übersetzt „Ruß – Chemnitz“, klingt aus heutiger Sicht nicht schmeichelhaft. Er war abgeleitet von den Hunderten rauchenden Schornsteinen der Dampfmaschinen und Industrieanlagen in der Stadt die letztendlich den industriellen Aufschwung und Wohlstand seiner Bürger bedeuteten. 

Blick auf Chemnitzer Unternehmen (ca. 1910) 
 Quelle. Chemnitz in Wort und Bild - Mit freundlicher Genehmigung des Verlag Heimatland Sachsen eK

Neben diesen genannten Industriezweigen entwickelten sich aber auch Unternehmen im Bereich der neu entstehenden Elektro- und Nachrichtentechnik. 

Am 1. Mai 1874 gründete Hermann Pöge mit der 

Chemnitzer Telegraphenbauanstalt
den ersten elektrotechnischen Betrieb Sachsens.

Zunächst baute er mit einem Lehrling in der Bodenkammer seines Wohnhauses Klingel- und Telegraphenanlagen. Im folgenden Jahr zog er in die Chemnitzer Zwickauer Str. 81 und begann mit dem Bau von Blitzableitern.

Als er 1877 von der Erfindung des Telefons erfuhr, importierte er erst einige aus Amerika und baute sie später selbst. 1880 zog er in die Brückenstraße 31 und stieg auf maschinelle Fertigung um. Mit seinem Chefingenieur Emil Gottfried Fischinger begann er auch mit der Produktion von Dynamomaschinen.

Pöge Elektricitäts-Aktiengesellschaft

1881 trat Hermann Pöge  der Chemnitzer Naturwissenschaftlichen Gesellschaft bei und besuchte die Elektrizitätsausstellung in Paris. Im Wintersemester 1886/87 besuchten er und sein Sohn Willy als Gasthörer das Fach Elektrotechnik bei Adolf Ferdinand Weinhold in der damaligen Höheren Gewerbeschule, einem Vorläufer der heutigen TU Chemnitz.  In dieser Zeit hatte er über 40 Angestellte und Monteure.

Willy Pöge, Sohn des 1895 verstorbenen Firmengründers, errichtete Zweig­niederlassungen in Berlin, Dortmund, Dresden, Leipzig, Düsseldorf, Hamburg und Frankfurt am Main. Er exportierte nach Frankreich, Griechenland, in die Niederlande, nach Rumänien, Russland und Übersee.

1897 kaufte er ein 22.000 qm großes Grundstück auf der Dorfstraße 52 in Altchemnitz (heute Paul-Gruner-Straße)

So entwickelte sich in Folge ein großes marktführendes Unternehmen im Bereich der Produktion von Generatoren, Turbinen und kompletten Elektrizitätswerken. Am Produktionsstandort Dorfstraße 52 in Chemnitz und firmierte das Unternehmen als  „Pöge Elektricitäts-Aktiengesellschaft“. Vorteilhaft an diesem Standort war der Bahnanschluss. 

Quelle: https://web.saechsisches-industriemuseum.com/fileadmin/data/Chemnitz/Infothek/Museumskurier/kur_43.pdf 

Quelle: PÖGE Elektricitäts-Werke; Chemnitz Hersteller in D, Modell-T (radiomuseum.org) 

Das Unternehmen wurde 1930 von der AEG übernommen und dem Sachsenwerk Niedersedlitz angegliedert.  Interessant bleibt dabei die Beziehung des Pöge-Werkes zur Funk-Produktion im weitesten Sinne, denn AEG übernimmt 1930/31 die Aktienmehrheit von "Sachsenwerk Licht und Kraft" und erwirbt damit eine weitere Rundfunkgerätefabrik, deren Erzeugnisse lange Zeit unter dem  Markennamen "Eswe" (SW als Buchstabenlaute ausgesprochen = SachsenWerk) entwickelt, gebaut und vertrieben werden.


Am 15.Juli 1930 erfolgte die Löschung der Fa. Pöge Elektricitäts-Aktiengesellschaft im Handelsregister. Am 23.Juli 1930 wurde in das Handelsregister Chemnitz „Pöge ElektricitätsWerke Chemnitz, Zweigniederlassung der Sachsenwerke, Licht und Kraft-Aktiengesellschaft“ eingetragen.

Der Standort an der Chemnitzer Dorfstraße 52 wurde ab ca. 1933 an die "Nationale Automobil­gesellschaft-AG Abteilung Presto Chemnitz“ vermietet und 1937 verkauft.

Willy Pöge war zugleich einer der bedeutendsten Rad- und Automobil-Rennfahrer, er verstarb am 11.Mai 1914. Möglicherweise waren auch die Ambitionen von Willy Pöge in Bezug auf seine Erfolge im Rad- und Automobilsport Argumente, dass der Firmenstandort später von den Presto-Werken übernommen wurde.

Quellenverzeichnis:

  • https://de.wikipedia.org/wiki/Presto-Werke
  • http://www.albert-gieseler.de/dampf_de/firmen0/firmadet681.shtml
  • https://www.landkartenarchiv.de/historischestadtplaene.php?q=landkartenarchiv_chemnitz_192X
  • https://chemnitz-gestern-heute.de/willy-poege-einer-der-besten-rennfahrer-seiner-zeit
  • https://chemnitz-gestern-heute.de/prestowerke/  

Im Ergebnis des 2. Weltkriegs wurde Chemnitz 1945 stark zerstört. Auch fast die gesamten Produktionsanlagen der Presto-Werke fielen den Bomben zum Opfer. ebenso am Standort Dorfstraße 52 (Heute Paul-Grunder-Straße) . Verbliebene Produktionsanlagen  wurden im Rahmen der Reparationen durch die sowjetische Militäradministration demontiert. Verschont wurde das große Verwaltungsgebäude. Nach dem Krieg bekam es wieder eine „elektrische“ Verwendung. Es wurde Sitz des VEB Fahrzeugelektrik Karl-Marx-Stadt.


...und heute?

Interessant ist, dass die Firma Pöge auch direkte Berührungspunkte mit der Geschichte des deutschen Amateurfunks hat. Uwe, DL2SWR, aus Wismar hat zur Person Dr. Kurt Heinrich tiefgründig recherchiert. Dieser war in Wismar städtischer Baurat, Elektrotechnik-Dozent und Akademiedirektor ... und der erste Funkamateur im Bereich des heutigen Mecklenburg-Vorpommers.

Pöge AG (afu-wismar.de)

Gleichzeitig entwickelte sich eine sehr enge Verbindung zwischen Dr. Heinrich und Prof. Bangert von der Akademie für Technik in Chemnitz, der ein Wegbereiter der Radio- und späteren Rundfunk- und Amateurfunk-Geschichte in Chemnitz war. Dazu auch a.a.O.

weiterführende Verweise zur Firma Pöge:

https://web.saechsisches-industriemuseum.com/fileadmin/data/Chemnitz/Infothek/Museumskurier/kur_43.pdf