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Amateurfunk aus Leidenschaft

Arbeiter-Radio-Klub Chemnitz

1924 erfolgte die Gründung des Arbeiter Radio Klub (ARK) in Berlin. Gründungsmitglieder waren viele ehemalige Funker bzw. Nachrichtensoldaten, Sozialisten, Gewerkschaftler auch KPD Mitglieder. Satzungsziele waren u.a.  

  • Zusammenschluss aller am Radiowesen Interessierter aus Kreisen der werktätigen Bevölkerung in Deutschland; 
  • die Errungenschaften des Radiowesens in den Dienst der kulturellen Bestrebungen der Arbeiterschaft zu stellen; 
  • Verständnis für die Radiotechnik zu wecken und zu fördern und Einwirkungen auf die das Radiowesen bestimmende Gesetzgebung.

So formierte sich auch in Chemnitz nach Gründung  des bürgerlich geprägten  "Chemnitzer Radio-Clubs" frühzeitig eine Ortsgruppe des Arbeiter-Radio-Klubs.

Es gibt u.a. einen direkten Bezug zu demobilisierten Nachrichtensoldaten des 1. Weltkriegs und deren revolutionäre Einstellung. Chemnitz war traditionell auch eine Garnisonstadt mit mehreren Kasernen. In der sog. „104er“ – Kaserne fanden in dieser Zeit regelmäßig Bastel- und Telegrafie-Kurse statt. Das ist möglicherweise ein Hinweis, dass hier die „Kameraden“ ein neues zu Hause fanden.  

Wolfgang Bausch, ein Chemnitzer Hobby-Chronist,  beschrieb bei einem Besuch sehr ausführlich die Aktivitäten in diesem ARK. Ich hatte Gelegenheit, ihn persönlich kennen zulernen und er gab sein Einverständnis zur Veröffentlichung dieser Informationen.








"Zu den massenwirksamsten Arbeiterkulturorganisationen in den Jahren der Weimarer Republik gehörten die heute vergessenen Funk- und Radioamateure, die einst eine Pionierrolle spielten. Seit am 29.September 1923, 20 Uhr, der Deutsche Rundfunk aus dem Vox-Haus auf Welle 400 erstmals auf Sendung gegangen war, hielt das „Phänomen Radio“ fortan Tausende in seinem Bann. Darunter auch viele, die sich nicht mit der Rolle als Konsument zufrieden gaben, sondern danach strebten, sich auch die funktechnischen Zusammenhänge zu eigen zu machen. Die Funkbastelei machte sich breit. Oft ging es dabei jedoch nur um den Bau von Empfängern, da der Kauf einer fertigen Anlage damals für viele nur schwer oder überhaupt nicht erschwinglich war. Deshalb gehörten Funkvereine alsbald zu den massenwirksamsten Interessengruppen. 

In Chemnitz formierte sich am 22. August 1924 im Restaurant „Goldener Anker“ ein Arbeiter-Radio-Klub mit 35 Mitgliedern. Es ging zunächst um die gemeinschaftliche Aneignung der Grundlagen der Radiotechnik und die Befähigung zum selbständigen Bau von Rundfunkempfängern.

Dabei spielten die gegenseitige Hilfe und Unterstützung eine große Rolle.  Anfang Februar 1925 erwarben die ersten neun Mitglieder die „Audionsversuchserlaubnis“ zum offiziellen Betreiben selbstgebauter Radio-Geräte. Bis zum einjährigen Bestehen des Vereins erwarben von den in Kursen ausgebildeten 180 Mitgliedern 97 diese Erlaubnis.

Zum ersten Vereinsjubiläum präsentierte der Arbeiter-Radio-Klub Chemnitz vom 31.Juli bis 2.August 1925 in der seinerzeitigen Schule am Bernsbachplatz die erste Chemnitzer Funkausstellung. In deren Turnhalle war zu sehen, was die Arbeiter-Funk(Radio)-Amateure zu leisten imstande waren: Anlagen von simpelster bis zu hochqualifizierter Ausführung, darunter auch die eines Zwölfjährigen..."

Auch die Chemnitzer Ortsgruppe der Arbeiter-Radio-Bewegung war vordergründig auf den Bau von Rundfunk-Empfängern mit eindeutiger politischer Zielrichtung ausgerichtet.

 Interessant ist  deshalb diese Information:

„Der ARK ist keineswegs mit irgendwelchem bürgerlichen Amateur – und Bastlervereinen zu vergleichen, er ist vielmehr die Zusammenfassung der deutschen Arbeiterschaft, die den Rundfunk nicht nur als Unterhaltungsmöglichkeit sieht, sondern als ein technisches Hilfsmittel, das geeignet ist, den kulturellen Willen der aufsteigenden Klasse zu manifestieren und durch seine Einrichtungen die Fortschritte menschlichen Geistes ihren Klassenangehörigen zu vermitteln...“ 

Quelle: Der neue Rundfunk, Jg 1, Nr.1 v. 4.4.26

Dass die Behauptung über die Erteilung von Audion-Versuchs-Erlaubnissen im ARK Chemnitz möglich war, gibt es meine Vermutung:  

Prof. Bangert der Leiter des damaligen Instituts für Fernmeldetechnik an der Staatlichen Gewerbe-Akademie, später Akademie für Technik Chemnitz (heute TU Chemnitz)  geht in seiner Biografie u.a. auch auf Vorträge beim Chemnitzer Arbeiter-Radioklub  und seine Prüfer-Tätigkeit ein. Somit ist es nahe liegend, dass er auch in diesem ARK  bzw. für dessen Mitglieder die Prüfungen vornahm.

Quelle: TU-Archiv Chemnitz

Diese Vermutung bestätigt auch Klaus-Michael Klingsporn, der zum Thema ein umfangreiche Publikation erstellte

" ... Ich vermute, die Radiobastler der bürgerlichen und der Arbeiter-Radioklubs lagen in Vielem gar nicht so weit auseinander und standen sich auch nicht unbedingt immer feindlich gegenüber. Zumal beide Gruppen in ihrem jeweiligen sozialen Umfeld wahrscheinlich eher als Technik-Freaks wahrgenommen wurden, da man die zukünftige gesellschaftliche Bedeutung des Rundfunks in der breiten Öffentlichkeit damals eher unterschätzte. ..."

Es gibt auch sehr interessante Publikationen von André Scheer zu diesem Thema mit vielen historischen Details.

Auch mit dem Wegfall der Audion-Genehmigung und dass man jetzt Rundfunkgeräte zunehmend preisgünstiger kaufen konnte verblasste die Euphorie am Radiobasteln nicht. So fand 1927 im Chemnitzer Museum eine große Radio-Ausstellung statt, wo von den ARK-Bastlern über 80 verschiedene selbstgebaute Geräte ausgestellt wurden.

Der Klub benannte sich 1928 in Arbeiter-Radio-Bund Deutschlands um und ein  innerverbandlicher Streit führte 1929 zur Abspaltung des kommunistischen Freien Radio-Bund Deutschlands. Beide Organisation wurden jedoch 1933 nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten verboten.

Ungeachtet dessen kann man vermuten, dass es einige Enthusiasten gab, die sich dem entstehenden Amateurfunk und der Chemnitzer Ortsgruppe des DASD anschlossen.